Der erweiterte Bildbegriff umfasst einerseits zweidimensionale, unbewegte und bewegte Bilder (z.B. Malerei, Zeichnung, Grafik, Fotografie, Video, Animation) und andererseits dreidimensionale Werke in Architektur, Plastik, Installation und Performance.

Zudem werden äussere und innere Bilder unterschieden. Innere Bilder beinhalten Vorstellungen, Fantasien, Empfindungen und Assoziationen. Äussere Bilder beziehen sich auf Bilder, Objekte und Phänomene aus Natur, Kultur und Kunst.

Unter Bildkompetenz sind Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse und Haltungen zu verstehen, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich in einer von Bildern geprägten Umwelt zu orientieren. Im Unterricht werden die Schülerinnen und Schüler befähigt, Bildwirkungen und -funktionen zu erkennen wie auch subjektiv-biografische und historisch-kulturelle Kontexte zu verstehen.

Schülerinnen und Schüler erwerben Bildkompetenz, wenn sie:

  • Bilder imaginieren, erleben, wahrnehmen, analysieren, interpretieren (Rezeption);
  • Bilder entwerfen, realisieren, verdichten (Produktion);
  • Bilder zuordnen, vergleichen, verstehen (Reflexion);
  • sich mit Bildern mitteilen, über Bilder sprechen (Kommunikation).

Schülerinnen und Schüler nutzen Denk- und Arbeitsweisen, wie sie in der Kunst zur Anwendung kommen (z.B. Umgestalten, Variieren, Kombinieren, Verfremden). Im Unterricht erhalten sie Gelegenheit, durch kunstorientierte Methoden vielfältige Begegnungen und Auseinandersetzungen mit Bildern und Kunstwerken zu erleben. Dabei werden sie aufgefordert, ungewohnte Perspektiven einzunehmen, Grenzen auszuloten und eigene Gewohnheiten zu durchbrechen.

Ein bildnerischer Prozess wird mit einer Fragestellung ausgehend von einem Thema aus der Lebens- und Vorstellungswelt der Schülerinnen und Schüler initiiert. Phänomene aus Natur und Kultur, zeitgenössische und historische Kunstwerke sowie analoge und digitale Bildwelten sind die Grundlage solcher Fragestellungen.

Mögliche Themenfelder sind:

  • Mensch, Figur, Selbstdarstellung;
  • Landschaft, Pflanze, Tier;
  • Objekt, Körper, Raum, Architektur;
  • Farben (Material und Phänomen);
  • Bewegung (Wahrnehmung und Darstellung);
  • Fiktion, Wünsche, Empfindungen;
  • Werbung, Zeichen, Symbole.

Bedeutsame Aufgaben ermöglichen den Schülerinnen und Schülern kompetenzorientiertes Lernen in den drei Kompetenzbereichen Wahrnehmung und Kommunikation, Prozesse und Produkte, Kontexte und Orientierung. Eine Aufgabenstellung beinhaltet eine bildnerische Fragestellung sowie Prozess- und Produktkriterien und fordert eigenständige Bildlösungen. Das Inszenieren des Prozesses, der Einbezug der bildnerischen Grundelemente (Punkte, Linien, Formen; Farbe; Raum; Oberflächenstruktur; Bewegung), die Wahl von Verfahren, Materialien und kunstorientierten Methoden sowie die Bewertung stellen Planungsaspekte dar. Gute Aufgaben initiieren bei den Schülerinnen und Schülern eine offene, neugierige und experimentierfreudige Auseinandersetzung und fördern ihre Kreativität und Bildsprache.

Im bildnerischen Prozess lernen Schülerinnen und Schüler eine Bildidee zu entwickeln und mit bildnerischen Mitteln zu realisieren. Im Wechselspiel von Wahrnehmen, Denken und Handeln machen Schülerinnen und Schüler ästhetische Erfahrungen und differenzieren damit ihr Vorstellungs- und Darstellungsvermögen.

Sie beobachten, beschreiben und vergleichen Phänomene, Objekte und Bilder. Sie sammeln und ordnen Materialien und Informationen, spielen und experimentieren mit bildnerischen Grundelementen und Verfahren. Sie lassen sich auf den Prozess ein und erproben verschiedene Vorgehensweisen. Kreative Prozesse erfahren die Schülerinnen und Schüler im Wechsel von Staunen, Konzentrieren, Nicht-wissen, Entscheiden, Planen, Verweilen, Geschehen-lassen, Wiederholen, Verwerfen, Zögern, Wagen, Scheitern, Vergleichen und Einschätzen. Sie erarbeiten sich dabei Kompetenzen für die Entwicklung und Realisierung eigener Bildlösungen. Im Kontext von Kunst und Kultur lernen Schülerinnen und Schüler, ihre Bilder zu vergleichen und einzuordnen.

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In der Auseinandersetzung mit Bildern sind verschiedene Bildzugänge zu berücksichtigen:

  • assoziativ (z.B. Assoziationsketten, Titel erfinden, Geschichten erzählen, Adjektivliste, fiktives Interview);
  • deskriptiv (z.B. Reise durch das Bild, Spiel Ich sehe etwas, das du nicht siehst);
  • handlungsorientiert (z.B. Gestik-Haltung-Mimik nachstellen, Vertonung, Bildteile verfremden, ergänzen und kombinieren, Bilddiktat);
  • analytisch (z.B. Motiv, Bildaufbau, formale Aspekte, Malweise).

In der Begleitung bildnerischer Prozesse fordert und fördert die Lehrperson die individuelle Ausdrucksart der Schülerinnen und Schüler und nimmt dabei unterschiedliche Rollen ein. Diese umfassen:

  • die Vermittlung von Sach- und Fachwissen, Fertigkeiten, künstlerischen Denk- und Handlungsweisen;
  • die Anleitung und den Austausch;
  • die Beratung und die Ermutigung;
  • das Ermöglichen von ästhetischen Erfahrungen;
  • die Anregung zu Reflexion, Bildbetrachtung und Kommunikation;
  • die kritische Würdigung, Beurteilung und Bewertung.

Die Lehrperson initiiert experimentierende und entdeckende Lernwege sowie nachvollziehende und analysierende Lernsituationen. Sie unterstützt einen konstruktiven Umgang mit Schwierigkeiten und Blockaden, indem sie mit einer förderorientierten Grundhaltung den Blick auf Entwicklungsmöglichkeiten lenkt. Sie bewertet Prozesse und Produkte kriterienorientiert.

Prozesserfahrungen werden anhand von Studien, Entwürfen, Skizzenbüchern oder Lernjournalen reflektiert, dokumentiert und kommuniziert. In der Auseinandersetzung mit Prozessen und Produkten entwickeln die Schülerinnen und Schüler Verständnis und Wertschätzung für unterschiedliche Arbeitsweisen und Bildsprachen.

Im Bildnerischen Gestalten ergeben sich viele Anknüpfungspunkte zur Förderung überfachlicher Kompetenzen. Im Bereich der personalen Kompetenzen wird schwerpunktmässig gearbeitet an:

  • Selbstständigkeit: Schülerinnen und Schüler lernen, bildnerische Prozesse zu organisieren und konzentriert und ausdauernd zu arbeiten.

Im Bereich der sozialen Kompetenzen wird schwerpunktmässig gearbeitet an:

  • Kooperationsfähigkeit: Schülerinnen und Schüler lernen, gemeinsam bildnerische Prozesse zu realisieren und das Potenzial der Gruppe zu nutzen.

Im Bereich der methodischen Kompetenzen wird schwerpunktmässig gearbeitet an:

  • Sprachfähigkeit: Schülerinnen und Schüler lernen, bildnerische Phänomene mit fachlichen Begriffen zu beschreiben und Prozesse und Produkte mit fachspezifischem Wortschatz zu kommentieren und präsentieren.
  • Aufgaben/Probleme lösen: Schülerinnen und Schüler lernen verschiedene Strategien beim Lösen von bildnerischen Aufgabenstellungen kennen und setzen diese gezielt ein. Dabei lernen sie, Herausforderungen anzunehmen, sich kreative Lösungen auszudenken, Informationen zu nutzen und Umsetzungsschritte zu planen.

(Siehe auch Grundlagen Kapitel Überfachliche Kompetenzen.)

Bei Kindern im 1. Zyklus sind die Übergänge vom bildnerischen Gestalten zum freien Spiel fliessend. Die Auseinandersetzung mit grundlegenden Verfahren, insbesondere das Zeichnen, Malen und Modellieren, ermöglicht dem Kind, ausserhalb sprachlicher Ausdrucksformen Erlebnisse zu verarbeiten und zu kommunizieren. Im spielerischen Umgang mit Formen, Farben und Materialien strukturiert das Kind seine vielfältigen Wahrnehmungen und entwickelt dadurch eigene, persönlich bedeutsame Symbole und innere Bilder. Diese bilden die Grundlage, um Symbole in Bildern, Geschichten und Märchen erfassen zu können. (Siehe auch Grundlagen Kapitel Schwerpunkte des 1. Zyklus.)